MP3 - eine geniale Idee
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Mal die Luft rauslassen
Also untersuchten die Wissenschaftler gründlich den Hörapparat des Menschen. Unzählige Probanden mit überdurchschnittlichem Hörvermögen wurden in etlichen Hörtestreihen auf akustische Proben gestellt: Was kann das menschliche Ohr überhaupt hören? Unter welchen Bedingungen nimmt das Ohr, Töne gar nicht mehr wahr? Und wie sehr kann die Übertragungsqualität einzelner Töne reduziert werden, ohne dass es das Ohr übelnimmt? Diese Fragen sollten die „Goldenen Hörer“ mit den besonders guten Ohren beantworten. Die Forscher gingen davon aus, dass schon das Gehör jede Menge überflüssige Information herausfischt. Nicht alles wird in absoluter Genauigkeit vom Ohr erfasst und ans Gehirn geleitet, sondern nur ein Teil davon.
Grob vereinfacht macht MP3 etwas ganz Ähnliches wie das Gehör. Die Dinge, die auch vom Gehör nicht an die Nerven und ans Gehirn weitergegeben werden, werden auch bei MP3 nicht weitergegeben. Die Forscher fanden Effekte wie Maskierung in ihren Testreihen heraus. Leise Töne zum Beispiel können von lauten verdeckt werden. Oder die Tatsache, dass das Ohr nicht alle Töne mit gleicher Präzision wahrnehmen kann, also auch die dafür nötigen Daten nicht unbedingt erforderlich sind.
Viele solcher psychoakustischen Effekte können eingesetzt werden, um Datenbits einzusparen. Dazu wird das Audiosignal mit sogenannten Filterbänken in eine sogenannte Zeit-Frequenz-Darstellung überführt. Bei MP3 sind es 576 Kanäle, die dann eingehender analysiert werden. Mit den in den Hörtests herausgefundenen psychoakustischen Modellen wurde dann abgeschätzt, welche Signalbestandteile mit welcher minimalen Genauigkeit quantisiert werden dürfen, ohne dass der Quantisierungsfehler stört. Die restlichen Daten werden dann mit einem bekannten mathematischen Verfahren, der Huffmann-Codierung, geschickt verpackt.
Warum ist die Idee genial?
Zum Anfang Zum AnfangWas hat MP3 verändert?
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Mit OCF startete das IIS 1989 auch seine Beteiligung an der Entwicklung eines neuen Audiostandards für die Moving Picture Experts Group, kurz MPEG. Aus diesen Entwicklungen für MPEG gingen im Wesentlichen zwei Algorithmen hervor, nämlich ASPEC (Adaptive Spectral Perceptual Entropy Coding) und MUSICAM. Für das ASPEC-Verfahren, quasi der unmittelbare Vorläufer von MP3, baute das IIS 1990 auch Hardware, die im praktischen Einsatz die Machbarkeit der Verfahren unter Beweis stellen sollte.
Tatsächlich kamen die Aspec-Geräte beim Rundfunk auch zum Einsatz, nämlich 1992 anlässlich der Olympischen Winterspiele im französischen Albertville. Auf nur einem ISDN-B-Kanal mit 64 Kbit/s konnten so Reportagen kostengünstig übertragen werden. Damit war MP3 zwar im kommerziellen Einsatz, doch der Durchbruch ließ auf sich warten.
Das konkurrierende Verfahren MUSICAM machte sich dagegen beim Rundfunk breit, zumal das Forschungsinstitut der öffentlich-rechtlichen Sender, das Institut für Rundfunktechnik in München IRT, sich maßgeblich an der MUSICAM-Entwicklung beteiligte.
Auch die Musikindustrie war zuerst von dem neuen Verfahren nicht zu überzeugen. Denn das Geschäft mit den CDs als Nachfolger der Schallplatten lief prächtig – Innovationen waren bei den Musikmanagern eher unerwünscht, zumal es damals auch noch kaum Abspielgeräte für Musik aus Dateien gab. Auch Inhalte selbst waren rar – Musiktitel in MP3 codiert waren schlichtweg noch nicht breit verfügbar.
Da kamen die Erlanger eher aus Geldnot auf eine Idee, die man heute als „disruptiv“ bezeichnen würde. Sie brachten einen Shareware-MP3-Encoder und -Decoder auf den Markt. Damals für die legendären 286er-Rechner in der AT-Klasse. Die Kostenlos-Version war zwar in der Funktion beschränkt, um potentiellen Interessenten die Möglichkeit zum Test zu geben, sie aber letztlich zum Kauf zu animieren. Doch die Free-Version wurde schnell gehackt und verbreitete sich in Windeseile, urplötzlich waren Millionen von Stück im Umlauf. Zwar kam MP3 durch diesen Angriff MP3 richtig in Fahrt, allerdings nur durch die Unfairness der Hacker.
Filesharing-Plattformen mit illegal kopierter Musik und per MP3 codiert schossen in der Folge aus dem Boden. Sie versetzten nicht nur die Musikindustrie in Angst und Schrecken, sondern auch zahlreiche Eltern, die sich urplötzlich mit Anzeigen der Musikindustrie gegen Ihre Sprösslinge wegen Urheberrechts-Verletzungen konfrontiert sahen.
Die Rolle der Musikindustrie
Zum Anfang Zum AnfangDie Datenreduktion geht weiter
Der Mobilfunk hat’s nötig
Der Mobilfunk hat’s nötig
Mit der einsetzenden Digitalisierung der Mobilfunknetze in den 1990er Jahren und dem anschließenden Technologiewechsel von leitungsvermittelten Telefonaten hin zur integrierten paketorientierten Übertragung von Daten und Gesprächen in den LTE-Netzen wurden die Anforderungen an die Audio-Komprossionsverfahren immer härter. Zunächst ging es um immer höhere Reduktionsraten, vor allem durch die Konzentration auf reine Sprachübermittlung. Mit dem Siegeszug der Smartphones allerdings bestimmten immer mehr die Anforderungen an die Übertragungstreue sowie Verständlichkeit bei gleichzeitig niedriger Verzögerung (Latenz) die Entwicklungen.
Heute arbeiten die Forscher des Fraunhofer-Institutes in Erlangen bereits an der vierten Generation von Daten-Reduktionssystemen. Sie gehören auch dank ihrer mit MP3 gewonnenen Erfahrung und Reputation zu den führenden Entwicklern weltweit auf diesem Gebiet.